Umwelt, im erweiterten Sinne
Gespräche, Künstlerische Arbeiten und Archivlesungen zu politischen Umwelten, zur Umweltbewegung der DDR, zu (materiellem, sprachlichem, ideologischem) West- und Ostmüll, dem (Nach)Strahlen von Landschaften und Geschichte/n mit Mareike Bernien & Alex Gerbaulet, Tim Eisenlohr, Sebastian Pflugbeil und Anna Zett, moderiert von Suza Husse und Elske Rosenfeld
5. Dezember 2018
** 18.00 Uhr – Ausstellungsgespräch in der Installation Deponie mit Anna Zett
** 19.00 Uhr – Gespräche und Archivlesungen
im Rahmen von wildes wiederholen. material von unten. Künstlerische Forschung im Archiv der DDR-Opposition
Ort: District Berlin, Bessemerstraße 2-14, 12103 Berlin
Die DDR-Opposition gebrauchte den Begriff „Umwelt“ in einem erweiterten Sinne: Umwelt waren nicht nur vor der dramatischen industriellen Verschmutzung zu schützenden Biotope, Luft, Flüsse, Seen, Wälder, sondern auch ein gesellschaftliches Umfeld, das in vieler Hinsicht durch eine repressive und tote Sprache, durch Überwachung und Verbote vergiftet wurde und in dem es galt Freiräume zu schaffen. Wie lässt sich ein solches Umweltverständnis mit gegenwärtigen Auffassungen um Ökologie und Gesellschaft in Dialog setzen, die jenseits der binären Kategorien von Natur und Mensch agieren? War die DDR-Opposition mit ihrem Umweltbegriff ihrer Zeit voraus? Was können wir aus ihrem Selbstverständnis, ihren Aktivitäten und Schriften fürs Heute lernen? Was hieße es, die Geschichte der DDR und ihrer Opposition insgesamt in Begriffen von Toxizität, Kontaminierung, (Nach)Strahlung zu denken?
Anna Zett setzt sich in ihrem Ausstellungsbeitrag „Deponie“ mit der Festigkeit verbaler Politik und verbaler Aufzeichnung auseinander. In ihrer Videoinstallation dient ein Kiesberg als Untergrund für persönlich-politische Parolen. Ein zweites Video setzt Aufnahmen aus den späten 1980er Jahren assoziativ und narrativ miteinander in Bezug: Ausschnitte aus Dokumentationen zu DDR-Mülldeponien und Umweltschäden, eine Lyriklesung, Stasiübergriffe auf eine Demo, die Besetzung der Stasizentrale im September 1990.
Mareike Bernien und Alex Gerbaulet besuchen in ihrem Zine „Entlang der Silbersteinstraße, eine Bildgeschichte nachstrahlender Lanschaften“ die Landschaften und Archive des ehemaligen Uranabbaugebiets der Wismut AG in Sachsen. Ihr Beitrag zu „wildes wiederholen. material von unten“ bildet den Auftakt zu ihrer gemeinsamen Forschung zu Rohstoffabbau und politischen Umwelten, Strahlung und Geschichte.
Sebastian Pflugbeil ist Physiker und engagierte sich in den 1980er Jahren in der DDR-Friedens- und Umweltbewegung – nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl insbesondere mit Problemen der Kernenergienutzung. Er war Mitbegründer des Neuen Forums und arbeitete 1989/90 am Runden Tisch und als Minister ohne Geschäftsbereich erfolgreich für den Ausstieg der DDR aus der Kernenergie – u.a. indem er mit illegal kopierten Geheimakten den Zustand der DDR-Kernkraftwerke offen legte. Er beschäftigt sich bis heute mit den Spätfolgen von Tschernobyl.
Tim Eisenlohr begann sich mit 14 Jahren in der Berliner Umweltbibliothek zu engagieren und wurde während der Stasirazzia am 24. November 1987 verhaftet. Die Umweltbibliothek war ab 1986 ein wichtiges Zentrum der DDR-Opposition, sie versammelte Publikationen zu verschiedensten gesellschaftlichen Themen und diente nach dem Vorbild der polnischen „fliegenden Universitäten“ als Veranstaltungsraum und basisdemokratischer Treffpunkt. Eisenlohr engagiert sich heute als Zeitzeuge in Schulen und Bildungseinrichtungen und mit der von ihm mitgegründeten Grassrootsorganisation ResCO International in der internationalen Flüchtlingshilfe.
Eine Veranstaltung im Rahmen des Projekts wildes wiederholen. material von unten. Künstlerische Forschung im Archiv der DDR-Opposition. Ein Kooperationsprojekt zwischen District Berlin und dem Archiv der DDR-Opposition / Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. kuratiert von Suza Husse und Elske Rosenfeld im Gespräch mit den Partner*innen im Archiv: Rebecca Hernandez Garcia, Frank Ebert, Christoph Ochs, Olaf Weißbach. Forschungsassistenz: Maria Josephina Bengan Making
Gefördert vom Hauptstadtkulturfonds.