This Space In Between

30/06/2023 — 01/07/2023

Foto: Kim Bode

Performance

Freitag, 30. Juni 2023, 20.30 h
Samstag, 1. Juli 2023, 20.30 h

Uferstudios, Hof
Uferstraße 23, 13357 Berlin

Freier Eintritt

Μην μ’ αρνηθείς, να ξαναρθείς
Ζήσαμε μαζί πόνους, πίκρες, χαρές
Αν με αρνηθείς, θα μας βρουν συμφορές

Don’t deny me, come again
We’ve lived together through pains, sorrows, joys
If you deny me, we’ll be in trouble

Verleugne mich nicht, komm wieder
Wir haben zusammen Schmerzen, Sorgen und Freuden durchgestanden
Wenn du mich verleugnest, sind wir in Schwierigkeiten

– Mimika Kazantzi: Μη μ’ αρνηθεις [Mi M’Arnitheis], 1963

Die Stimme der Sängerin Mimika Kazantzi erklingt zwischen Erzählungen und Grüßen auf den Tonbandaufnahmen der Großeltern. Sie beschwört Räume zwischen Schmerz und Ermächtigung, zwischen Deutschland, Griechenland, Bollywood, Laika und Schlager, zwischen Fließbandarbeit und kleinbäuerlichen Ökologien, Vergangenheiten und Zukünften. Bis in die 1990er Jahre waren Mixtapes eine wichtige migrantische Kulturtechnik, die Menschen und ihre Lieben an unterschiedlichen Orten der Welt miteinander austauschten. Sie enthielten Nachrichten, Musik, gesprochene Briefe, Warnungen und Träume, Sehnsüchte, Trauer und Utopien. Als transterritoriale Archive selbstgemachter Radiolandschaften und Disco-Polyphonien bilden migrantische Mixtapes einen Ausgangspunkt für die Performance This Space In Between.

Inspiriert von den Verbindungen zwischen migrantischen Erfahrungsräumen und Popmusik erkundet This Space In Between Verkörperungen des Dazwischen-Seins. Anhand von Liedern, Sounds, Gesängen, Remixen und kalkulierten Choreografien untersuchen drei Performer*innen Zustände von Bewegung und Ankommen, des Nicht-/Arbeitens und Feierns auf die ihnen innewohnenden Zwischenorte, Zwischenzeiten und Zwischensprachen. Geprägt von transgenerationalen Migrationserfahrungen in Deutschland, von queeren Musikkulturen und den Vergnügen wie Verlusten der Arbeiter:innenklasse improvisieren die Performer:innen Formen postmigrantischer Pop-Utopien. Dabei loten sie Mehrstimmigkeiten, Hybridität und Zwischenkulturen als choreografische Strategien aus, Raum zu beanspruchen und als transformative Paradigmen für gesellschaftliche und künstlerische Formationen.

Autoteile am Fließband werden zu Kühen, Erinnerungen vermischen sich. Infolge der Anwerbeabkommen zwischen der BRD und Staaten des europäischen und globalen Südens haben sich seit Ende der 1950er Jahre Millionen von Menschen auf der Suche nach Arbeit auf den Weg nach Westdeutschland gemacht. Von 1963 bis 1986 schloss auch die DDR mit verschiedenen sogenannten “Bruderstaaten“ (u.a. Vietnam) Abkommen zur Ausbildung und Beschäftigung von Arbeitskräften in Ostdeutschland. Hände, Rücken, Augen, Beine, innere Organe – immer wieder werden die Körper der auf ihre Arbeitskraft reduzierten Menschen medizinischen Kontrollen und rassistischen Interventionen unterzogen. Doch die Hände waren auch zärtlich, haben geliebt, gespielt, geschaffen und gekämpft, nicht nur gearbeitet. Was oft unsichtbar gemacht wurde und wird, ist wie Generationen von Einwander:innen postmigrantische Kulturen, Politiken und Formen des Zusammenlebens geschaffen haben, die die deutsche:n Gesellschaft:en prägen.

Im Hof der Uferstudios, einer mit Spuren schwerer körperlicher und mechanisierter Arbeit aufgeladenen Architektur, entsteht mit This Space In Between ein Raum an der Schnittstelle von Performance und Musik, Dokumentation und Spekulation. Der Industriehof verwandelt sich in einen ständig entstehenden Raum, an dem Welten aufeinandertreffen. In einem steten Aushandlungsprozess um Nähe und Distanz bewegen sich Performer*innen und Publikum auf derselben (Tanz)Fläche. Die Bühne löst sich auf und mit ihr möglicherweise die Gewohnheiten betrachtender, hierarchischer und rassifizierender Blicke.

Polyphone Gesänge im Balkan- und Mittelmeerraum sind eine Praxis des Zusammenlebens, Feierns, sich Sehnens und Trauerns. Die Klänge verschiedener Stimmen ertönen gleichwertig zu den Melodien von Vögeln, Pflanzen, Wasser oder Wind. Zusammen erzeugen sie ein Ökosystem, eine Landschaft. Polyphonie heißt auch, wenn ein:e Sänger:in gleichzeitig unterschiedliche Töne singt, eine Art Widersprüche und multiple Zugehörigkeiten auf der Zunge zu tragen. This Space In Between erprobt Polyphonie in ihrer politischen Bedeutung als Idee des Zusammenlebens und als performative Praxis, die Körper miteinander verbindet.

Postmigrantische Pop-Utopie, wie klingt sie? Werden wir dazu tanzen können?

Có bao nhiêu nắng ô kìa
Đà Lạt mơ mơ một sớm anh về
Có bao nhiêu gió ô kìa
Đà Lạt mơ mơ đâu dốc nhà anh

Và nắng ô kìa nắng rất nhẹ
Dường như nụ cười của anh
Và gió ô kìa gió rất nhẹ
Dường như tiếng nói tiếng nói của anh

How much sunshine is there?
Đà Lạt dreams that one day you will come back
How much wind is there?
Đà Lạt dreams of where your house slopes

And oh my god the sun is very light
Looks like your smile
And oh, the wind is so light
It seems that the voice of your voice

Wieviel Sonne gibt es da?
Đà Lạt träumt von deiner Rückkehr eines Tages
Wieviel Wind gibt es da?
Đà Lạt träumt von dem Hang, wo dein Haus steht

Und oh Gott die Sonne ist so zart
Sieht aus wie dein Lächeln
Und oh, der Wind ist so leicht
Es scheint die Stimme deiner Stimme

– Nguyen Thao: Ô kìa nắng, 2006

Team
Konzept, Regie, Performance: Kallia Kefala | Performance: Minh Duc Pham, Katerina Papachristou | Komposition, Live Musik: Katerina Papachristou | Künstlerische Mitarbeit, Outside Eye: Sylvester Röpcke | Kuratorische Begleitung und Recherche: District* (Suza Husse, Joe Ekenhorst, Promona Sengupta) | Kommunikation: District* | Soundscapes: Kim Bode | Künstlerische Produktionsleitung: Martina Neu | Technische Leitung: Cécile Perrot | Kostümmitarbeit: Aleix Llussa Lopez

Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR.