Discoteca Flaming Star: Sticky Stage

10/05/2017 — 03/06/2017

Discoteca Flaming Star, Sticky Stage, Performance at SBC Gallery of Contemporary Art, Montreal, 2016, Photo: Alex Robichaud

Discoteca Flaming Star, Sticky Stage, Performance at District Berlin, 2016, Photo: Emma Haugh

Discoteca Flaming Star, Sticky Stage, Performance at District Berlin, 2016, Photo: Emma Haugh

Discoteca Flaming Star, Sticky Stage, Performance at District Berlin, 2016, Photo: Emma Haugh

Discoteca Flaming Star, Video Still “The Magician”, 2013

Discoteca Flaming Star, Sticky Stage, Performance at District Berlin, 2016, Photo: Emma Haugh

Installation im Werden

Installation, Film Screening, Performance

von Discoteca Flaming Star (CGB, WM, Sara Pareira)

Öffnungszeiten:
Sonntag, 10. Mai – Samstag, 3. Juni, mittwochs bis samstags  14 – 18 h

14. Mai, 19 h
The Rehearsal (1974) von Jules Dassin und Melina Mercouri, Film Screening

20. Mai, 19 h Über Nacht-Performance

 

Discoteca Flaming Star sind ein interdisziplinär und kollaborativ arbeitendes Kunstkollektiv, eine Gruppe von Leuten, die Liedern und anderer mündliche Ausdrucksweisen nutzen. Diese verstehen sie als persönliche Resonanzen historischer Ereignisse sowie sozialer und politischer Fakten. Durch konzeptuelle, visuelle und musikalische Transfers kreieren sie Performances, Skulpturen, Zeichnungen, Bühnen und Situationen, die alte Sehnsüchte transformieren und Vergangenheiten er-/finden. DFS ist der Ort, an dem das Orakel durch die Nichtauserwählten spricht. DFS präsentieren wunderbare Lieder von der Liebe, von Konsum, von Hingabe und von Feminismus; Teppiche zum Überqueren brennender Brücken, fragile Aufsätze als Zeichnungen, und Dinge, die zusammengehen obwohl sie nicht sollten…

Sticky Stage, Installation im Werden

Mit Sticky Stage schlägt Discoteca Flaming Star eine Probensituation innerhalb einer dystopischen Landschaft vor. Die drei Filme Magician / Signs / Landscape (alle 2013 in Madrid aufgenommen), Poster mit Skripten und Gedichten und Dawn-Banner – riesige, den Sonnenauf- und -untergang absorbierende Stoffbahnen – und Schallwellen beruhigende Sonic Banners schaffen einen Ort, der drei Schauplätzen verknüpft: die Peripherie von Rom in Pier Paolo Pasolini’s Uccelacci e Uccelini (1966), eine 66 Morgen große Brache im Süden von Madrid, wo sich einst die Kasernen des Franco-Regimes befanden (von DFS 2013 mit einem Magier besucht), und die Rekonstruktion des Aufstandes gegen die Militärdiktatur der Junta an der Polytechnischen Hochschule in Athen 1973 durch im Exil lebende Künstler*innen und ihren Verbündeten in New York City 1974 (Jules Dassin und Melina Mercouris Film The Rehearsal).

Die drei Schauplätze rufen dasselbe Gefühl hervor: „um hier zu sein, um mich/uns hier zu orientieren, brauche/n ich/wir Hilfe; Ich kann/Wir können hier nicht allein sein.“ In Pasolinis Film kommt Hilfe in Gestalt der eher unangenehmen Figur eines schwarzen Raben, der den Protagonist*innen unaufhörlich über das Ziel ihrer Reise ausfragt. Im Falle von The Rehearsal sind es Dokumente aus Griechenland, welche das Gerüst bilden für eine kollektive Probe von Dissidenz und Aktivismus, und es ist die Musik, die den Übergang zwischen innen und außen, zwischen hier und da, zwischen damals und heute ermöglicht. In Discoteca Flaming Stars Filmsequenzen aus Madrids Süden wird Hilfe von einer vorsprachlichen Magierin verkörpert, die Pasolinis Raben evoziert und in der Landschaft umherstreift und zu Zeichen führt, die auf poetische Distanzen und andere Orte verweisen.

PPP – The phases of the Raven

A sage
A knower
A moralist
A philosopher
A sage on drugs
A lovable beatnik
A poet who has nothing to lose
A figure of Elsa Morante
A Bobi Bazlen
A sublime and ridiculous Socrates
An anarchic Indian Raven
A Marxist Raven
An autobiographical figure
A metaphor of the author
> At the end relief and sadness

 

DFS – the phases of the magician

A tool to find
A lack of monitoring
A something with keys
A puppet with visible „hands“
A baby in Haute Couture
A magical thing
A prelingual seduction
A barely-knowledge
Valentino Valentina (from reproduction to production > Mary Kelley > Post Partum Project > another PPP)
An unknown vision of life
A dancer around scraps of poetry
No end.Laughter.Singing.Feathers downwind.

Sonntag, 14. Mai, 19 h
The Rehearsal (1974) von Jules Dassin und Melina Mercouri, Film Screening

 A rehearsed scene can be played and replayed, in a variety of ways, until it is firmly committed to memory. In rehearsing, outsiders also seek, through repetition, to understand what has happened and to remember it.  The Olivier segment can be shown again. The poem by Seferis can be read again. The songs of Theodorakis can be sung again. The Polytechneio uprising can be remembered. Marina Kotzamani

Der Film The Rehearsal von Jules Dassin und Melina Mercouri entstand 1974 als spontane Low-Budget-Produktion, die als ein Vehikel der Solidarität mit der pro-demokratischen Bewegung in Griechenland gemeint war. Als Brecht’sche Reinszenierung eines Studentenprotests in Griechenland sollte der Film in erster Linie über die repressive Brutalität des Junta-Regimes, sowie die Komplizenschaft der US-Regierung aufklären.

The Rehearsal basiert auf der Verschränkung von zwei narrativen Ebenen. Die erste ist die Erzählung der Filmprobe selbst (hauptsächlich in den Stimmen von Dassin und Mercury), die zweite ist eine Art Reenactment der jüngsten historischen Ereignissen im politischen Geschehen in Griechenland. In beiden Erzählebenen entsteht eine Unterbrechung durch den Moments des sich in den Schlaf Begebens. In der ersten sehen wir die Teilnehmer*innen der Filmproduktion beim Verlassen des Drehortes und auf dem Weg nach Hause oder ins Hotel. Sie erscheinen verbunden durch ihre Begeisterung gemeinsam etwas von tiefer Bedeutung zu erschaffen. Schnitt. In der Erzählebene der Geschehnisse in Griechenland, gibt es eine verstörende Szene, in der die Universitätsbesetzer*innen Schlafen gehen.

Die Bilder der auf dem Boden und Tischen liegenden Körper der schlafenden Student*innen erzeugen einen filmzeitlichen Stillstand, der die tatsächlichen Toten, die Körper, der im Militäreinsatz zu Tode gekommenen Student*innen evoziert. Den Zuschauer*innen von Dassins Film kommt die Aufgabe zu, über die Träume der Student*innen zu wachen. Auf beiden Erzählebenen verknüpft der Moment des Schlafengehens die filmische Zeit und die darin enthaltene Möglichkeit zu sterben, noch einmal zu sterben, sowie den Tod anderer darzustellen.

Discoteca Flaming Star sind 2014 auf The Rehearsal gestoßen als sie Sticky Stage für die Präsentation in der seit den 1970er Jahren legendären New Yorker Tanz- und Performancebühne The Kitchen vorbereiteten. Der Film wurde 1974 in genau dem Gebäude  gedreht, in dem sich The Kitchen heute befindet. Durch ihre kollektive Arbeitsweise, sowie ihr Interesse an Erinnerung, Schlaf und Empathie als künstlerische Strategie war und ist diese Begegnung von großer Bedeutung für das Schaffen von DFS. Das Screening ist die erste Zusammenkunft als Teil von Sticky Stage bei District. In Berlin, wo wir leben und wo Sticky Stage nun zum ersten Mal vollständig gezeigt wird, möchten diesen Film mit Leuten teilen und diskutieren.

Die Kopie des Films auf DVD wird von der Melina Mercouri Foundation bereitgestellt.

 

Samstag, 20. Mai, 19 h – Sonntag, 21. Mai, 8 h
Sticky Stage, Performance DFS (CGB, WM, Sara Pereira)

 Die Performance dauert die ganze Nacht (ca. 14 Stunden). Bitte bringt Schlafsäcke, Kissen und Decken für die Nacht mit. Matten und Frühstück werden bereit gestellt. Getränke und Abendessen können vor Ort erworben werden.

Discoteca Flaming Star erzeugen einen zeitweisen Raum, in dem unsere Erschöpfung, unsere Träume sich zu einer liebevollen Phantasie verdichten. Die Performance dauert die ganze Nacht (ca. 14 Stunden), denn sie ist eine Einladung, auf einer Bühne zu schlafen, ein Vorschlag zur Durchquerung verschiedener Phasen des Performativen. Die dystopischen Landschaften der Filme, die von der Magierin bewohnt werden, und die Dawn-Banner, die die Temperatur und die Stimmung von Sonnenunter- und -aufgang aufnehmen, werden zusammengemischt mit Gedichten, Melodien und Liedern aus verschiedenen Quellen: aus The Rehearsal, von Lana del Rey, Roxy Music, Virgin Prunes, Frederico García Lorca und Rihanna. Die langen Intervalle, in sich denen einzelner Elemente der Performance wiederholen, sind charakteristisch für Gruppenproben dar. Sie schlagen ein Beharren vor – ein Beharren auf der Verbundenheit der Probenteilnehmer*innen der, ein Beharren auf der Liebe zum Kunstmachen – und ein Insistieren: Ein Insistieren, das Lied noch einmal zu singen, das Gedicht und den Text noch einmal vorzutragen, noch einmal am gleichen Ort zu schlafen, zusammen zu träumen. Wer wird über unsere Träume wachen?

Montag, 22. Mai, 19 h
Zusammenkunft bei den Dawn-Banners
Dinner mit Nguyen Phuon Linh / Nha San Collective Hanoi und Gäste

Zusammen mit Nguyen Phuong Linh, Mitglied des Nha San Kollektivs in Hanoi, heißen wir unsere Gäste am Montag, 22. Mai ab 19 h zu einem gemeinsamen Dinner mit Unterhaltung in der Installation Sticky Stage von Discoteca Flaming Star willkommen. In der Präsentation der Künstlerin wird es um ihre künstlerischen und kollektiven Praxen gehen, um die Idee der Kunst als Erprobung politischer Imagination, um Lernen, Erinnerung und Aufstand, sowie um Fragen nach Performance und Gemeinschaft.

Linh Phuong Nguyens multidisziplinäre Praxis umfasst Installationen, sowie skulpturale und Videoarbeiten. Linh Phuong befasst sich mit geographischen und kulturellen Veränderungen, den traditionellen Wurzeln und der fragmentierten Geschichte in Vietnam – einem komplexen Gefüge aus diversen Ethnizitäten, Religionen, sowie kulturellen und geopolitischen Einflüssen. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit sichtbarer/unsichtbarer Wahrheit, Form und Zeit, und transportieren ein alles durchdringendes Gefühl von Dislokation und Vergänglichkeit.

Linh Phuong Nguyen ist aufgewachsen und arbeitet zusammen mit einigen der bedeutendsten zeitgenössischen Künster*innen der Kunstszene Vietnams in Nha San – der erste gemeinnützige, von Künstler*innen betriebene Kunstraum für experimentelle Kunst im Haus ihres Vaters in Hanoi. Nachdem Nha San 2011 von den Behörden geschlossen wurde, begründete und leitete Linh das Nha San Kollektiv mit einer Gruppe junger Künstler*innen mit dem Ziel die Grenzen der Ausdrucksformen in Vietnam neu auszuloten und andere junge Künstler*innen der Gemeinschaft zu unterstützen.

Konzept und Performance: Discoteca Flaming Star; Kuratorin: Suza Husse; Projektleitung: Naomi Hennig, Andrea Caroline Keppler; Kommunikation: Johanna Ekenhorst; Buchhaltung: Annett Hoffmann; Technische Unterstützung: Hassan Sulaiman, GeoVanna Gonzales.

DFS küsst und dankt Centro de Arte 2 de Mayo, Brandon La Belle (Errant Bodies), Adnan Yildiz (Künstlerhaus Stuttgart), Matthew Lyons (The Kitchen), Franziska Böhmer und Thomas Kilpper (After the Butcher), Sara Pereira (Altes Finanzamt), Ulrike Gross + Eva Marina Froitzheim (Kunstmuseum Stuttgart), Gregor Jansen (Kunsthalle Düsseldorf) + Rita McBride, Pip Day + Julia Smith (SBC Gallery), Sabeth Buchmann + Ilse Lafer + Constanze Rühm (Putting Rehearsals to the Test), die frühere Versionen von Sticky Stage beherbergt und möglich gemacht haben.

Außerdem möchten wir allen herzlich danken, die zu der Umsetzung und Produktion dieser Arbeit beigetragen haben. Kunstmuseum Stuttgart für die Produktion der Sonic Banners, des Films On the secret sea-shore rehearsing not known what for und das Audio-Stück On a Sticky Stage. Stiftung Kunstfond Bonn für die Produktion der Dawn-Banners und die Unterstützung der Produktion in NYC. Andreas Koop schon im Voraus für das Design und die Produktion der anstehenden Publikation. Paula Barrio Perez, Rafa Suarez, Manuela und Sofia Lomba, Kathy Homans und Patterson Sims, Alison Fleminger, Blain Kennedy, Annette Koelbl, Claudia Gienger, Olli Schenkmann, Martin Feldmann und allen, die Sticky Stage mit uns sehen, zuhören und schlafen.

Textilien: Mona Kuschel (Couturereal); Kamera: Fernando Baena; Cutting: Sara Pereira, Sebastian Bodirsky, Isabell Spengler; Audio-editing: Sara Pereira; Audio-Mastering: Stephen Betke