Satellite Affects and Other Lines of Flight
Ausstellung der District-Atelierstipendiatinnen 2010-2015
Zeljka Blaksic aka Gita Blak, Christa Joo Hyun D’Angelo, Katharina von Dolffs, Hella Gerlach, Klara Hobza, Cooltūristės, Katrin Mayer, Miryana Todorova, Zorka Wollny
30. Mai, 4. Juni Performances
Ausgehend von der Frage nach den Wechselbeziehungen zwischen künstlerischer Praxis und den Kontexten, in denen sie sich realisiert, stellt District Berlin mit der Ausstellung Satellite Affects and Other Lines of Flight erstmals die Werke aller acht Künstlerinnen und des Kollektiv vor, die seit 2010 durch das District Atelierstipendium gefördert wurden. Das in dieser Form einzigartige Atelierstipendien-Programm konzentriert sich explizit auf die Förderung bildender Künstlerinnen mit dem Anliegen, eine Grundlage für langfristige Dialoge zwischen künstlerischen, kuratorischen, wissenschaftlichen und vermittelnden Praktiken zu schaffen.
Der ‚Satellit‘, wie das von den Künstlerinnen für jeweils sechs Monate genutzte Atelier programmatisch genannt wird, dient der Ausstellung als metaphorisches Vehikel, um ästhetische Grenzgänge, nomadische Zeitlichkeiten, entfesselte Raumvorstellungen und widerständige Politiken des Peripheren entlang eines unregelmäßigen Orbits zu verbinden. Satellite Affects überträgt dabei die reflektierend zirkulierende Bewegung künstlicher Himmelskörper und planetarer Trabanten auf die von den Künstlerinnen und von District als Kunstraum entwickelten Ansätze für Forschung, Berührung und Materialisierung. Gleichzeitig verweist der Titel jenseits dialektischer und anthropozentrischer Kategorien auf die soziale Komplexität uneindeutiger Szenarien, die von beseelten Objekten, Verkörperungen fühlender Technologie und anderen Zwischensubjekten bevölkert werden.
Die Ausstellung präsentiert aktuelle künstlerische Positionen aus Performance, Video, Bildhauerei, Installation, Kunst im öffentlichen Raum, kollaborativen und konzeptuellen Praktiken, Grafik, Choreografie und Sound einer jüngere Generation von Künstlerinnen. Katharina von Dolffs lotet in ihrer enzyklopädischen Arbeit Grillion (2014-2015) über die techno-biologischen Subjekte eines fremden Planeten deren Erregungszustände und somit die Möglichkeiten des Bildhauerischen aus. Klara Hobza erforscht in ihrem Langzeitprojekt Diving Through Europe(2010-2040) die Tiefen des europäischen Kontinents sowie ihre eigenen körperlichen und staatsbürgerlichen Grenzen. In der kollaborativ erarbeiteten Soundinstallation von Zorka Wollny, die aus der Performance Resonance Assembly – Komposition für Fabrik (2014) hervorgeht, materialisiert sich die stillgelegte Malzfabrik als post-industrieller Resonanzkörper für die leise Erosion eines Ortes in eine akustische Zeitlichkeit. Im Zentrum von Hella Gerlachs performativ-skulpturaler Praxis steht die Beziehungen von Körper und Raum. In dieses Gefüge schreibt sie die Besucherin als Erforscherin, Bewohnerin und Darstellerin ihrer skulpturalen Settings ein (Element XIII (bigbag), 2013). Dies ist auch bei Miryana Todorova der Fall, die mit ihren mobil-kollabierenden, sich kontextspezifisch transformierenden Architekturen die materielle Expansion des persönlichen Raumes vorantreibt (Expanded Objects, 2013-2015).
Zeljka Blaksic aka Gita Blak zeigt in ihrer für öffentliche Plätze in Zagreb entwickelten Performance Whisper-Talk-Sing-Scream (2013) ausgehend von der Tradition der Protestlieder Perspektiven auf, wie sich die Vielschichtigkeit der politischen Auseinandersetzungen um das Recht auf Stadt in gestische und musikalische Repertoires einer jüngeren Generation übersetzt. Wie eine Anleitung zum Handeln und gewissermaßen als historisches Vorspiel zu Whisper-Talk-Sing-Screamebenso wie zu D’Angelos Past Present Tense erscheint Katrin Mayers Posterinstallation, die in lexikonartiger Konstellation Beispiele und Strategien des jugendlichen Widerstandes im Nationalsozialismus thematisiert. Christa Joo Hyun D’Angelos dokumentarische Videoarbeit Past Present Tense (2014-2015) setzt sich mit dem gegenwärtigen Rassismus in Deutschland auseinander und befragt dazu die Perspektiven derjenigen, die Fremdenfeindlichkeit im eigenen Land erfahren und sich aktiv dagegen verhalten. Sich im satellitären Orbit zwischen Zentrum und Peripherie sowie zwischen Widerstand und kosmischer Imagination bewegend eignet sich das Kollektiv Cooltūristės in ihrer anlässlich der Ausstellung entwickelten Performance Rose (Mis-)Appropriations (2015) marginalisierte Monumente Berlins wider die patriarchalen Strukturen an.
Die gezeigten Werke sind während des Atelierstipendiums bei District entstanden, begonnen oder weitergeführt worden. Die Ausstellung ermöglicht entsprechend auch einen retrospektiven Blick auf die so erwachsenen programmatischen Wechselbeziehungen, kollaborativen Prozesse und gemeinsamen Kontexte zwischen den Künsterinnen und District.
Das Atelierstipendium wurde von Susanne Modelsee, Districts erster Künstlerischen Leiterin, 2010 ins Leben gerufen und von ihrer Nachfolgerin Ulrike Gerhardt in seiner jetzigen Form mit unabhängiger Jury etabliert. Ihnen sowie allen ehrenamtlichen Jurymitgliedern sei für ihre engagierte Unterstützung und Begleitung der Stipendiatinnen gedankt:
Ulf Aminde (Künstler), Elena Basteri (freie Kuratorin), Bonaventure Soh Bejeng Ndikung (Kurator, Savvy Contemporary Berlin), Sylvia Bonsiepe (Galeristin, Klemm’s, Berlin), Christa Joo Hyun D’Angelo (Künstlerin, New York, Berlin), Discoteca Flaming Star (Künstlerinnenkollektiv), Kordula Fritze-Srbic (freie Kuratorin), Hella Gerlach (Künstlerin), Sophie Goltz (Kuratorin, Neuer Berliner Kunstverein), Christoph Gurk (Kurator, HAU), Suza Husse (Künstlerische Leiterin, District), Klara Hobza (Künstlerin), Andrea Keppler (Kuratorische Mitarbeiterin, District), Keumwha Kim (freie Kuratorin), Teena Lange (freie Performancekuratorin, Künstlerische Leiterin grüntaler9), Katrin Mayer (Künstlerin), Henrik Mayer / REINIGUNGSGESELLSCHAFT (Künstlerkollektiv), Perla Montelongo (NODE Center for Curatorial Studies), Lauren K. Reid (Kuratorin, insitu Berlin), Michaela Richter (freie Kunsthistorikerin und Kuratorin), Lorenzo Sandoval (Kurator, Künstler), Jörn Schafaff (Kunsthistoriker, Freie Universität Berlin), Megan Marissa Steinman (freie Kuratorn, Berlin, New York), Polina Stroganova (Kulturwissenschaftlerin, Galeriedirektorin Proyectos Monclova, Mexico City), Miryana Todorova (Künstlerin, Sofia, New York, Berlin), Heike Tosun (Galeristin, Galerie Soy Capitán), Zorka Wollny (Künstlerin)
Die Ausstellung wird im Rahmen des International Sculpture Day präsentiert.
Kuratorinnen: Andrea Caroline Keppler & Suza Husse; Display: Fotini Lazaridou-Hatzigoga
30. Mai
Rose Mis(s)appropriation
Performance von Cooltūristės
Im Rahmen des Month of Performance Art Berlin
ORT: Rosa Luxemburg-Denkmal, Katharina-Heinroth-Ufer an der Lichtensteinbrücke
Kultūristė heißt auf litauisch Bodybuilderin. Für das 2005 in Vilnius gegründete anonyme feministische Kunstkollektiv Cooltūristės sind kritisches Bodybuilding ebenso wie die in ihrem Namen mitschwingende Coolness, (Sub-)Kultur und zeit-räumliches Wandeln (Tourismus) Programm. Die Performance Rose Mis(s)appropriation (2015) widmet sich vergessenen, marginalisierten Monumenten und Orten weiblicher Geschichte, um sie durch weiche Rituale wieder zu beleben und für die futuristische Einverleibung in neue, andere Beziehungsgefüge zu aktivieren. In Fortsetzung ihrer performativen Einladungen, öffentliche Räume und Insignien des kollektiven Gedächtnisses zu queeren, bringen Cooltūristės das Rosa-Luxemburg-Denkmal am Katharina-Heinroth-Ufer im Tiergarten zum Sprechen. Das „Gespräch“ zwischen Rosa Luxemburg und der von Cooltūristės zusammengerufenen temporären Gemeinschaft findet sein Echo weit über die Wasser des Landwehrkanals hinaus in den Mensch-Maschine-Erscheinungen am Weltkugelbrunnen vor dem Europa Center.
Das Skript zur Performance kann hier heruntergeladen werden.
4. Juni
Deep Sky Dinner
Performance + Drei-Gang-Menü
Mit den Künstlerinnen Cooltūristės, Christa Joo Hyun D’Angelo, Hella Gerlach, Zorka Wollny und den Kuratorinnen Andrea Keppler und Suza Husse
Der Abend beginnt mit der performativen Führung Cosmonautic Tour des Künstler*innenkollektivs Cooltūristės, den aktuellen District Atelierstipendiat*innen. Das exquisite von den Künstlerinnen gestaltete Deep Sky Dinner findet in der Ausstellung Satellite Affects statt und bietet Gelegenheit, mit den Werken, den Künstlerinnen, den Kuratorinnen und den anderen Gästen ins Gespräch zu geraten. Das Deep Sky Dinner hat das Ziel, Akteur*innen und Freund*innen der Kunst miteinander zu vernetzen und sich dabei gemeinsam für die District Stipendiatinnen zu engagieren. Das Essen dient der Finanzierung der Publikation zu Satellite Affects.