Offener Brief anlässlich der Verleihung des Preises für künstlerische Projekträume und -initiativen

Offener Brief anlässlich der Verleihung des Preises für künstlerische Projekträume und –initiativen

an die Öffentlichkeit und die Akteur*innen der Berliner Kulturpolitik

 

Wir freuen uns sehr, in diesem Jahr erstmals den Preis zu erhalten und über die Anerkennung unserer Arbeit, die wir als queer-feministisches Kunst- und Kulturzentrum in Berlin seit 10 Jahren leisten.

Seit 2009 arbeiten wir als Entwicklungs- und Reflexionsstätte für künstlerische Forschung und Praxis, kritische Bildungsarbeit, transdisziplinäres kulturelles Arbeiten und diskriminierungskritische Wissens- und Theoriebildung. Im Mai 2019 haben wir uns in einen Verein umgegründet, um offene, kollektive, diversitätsorientierte und demokratische Formen der Organisation und Programmgestaltung stärker zu verankern.

Die ideelle und finanzielle Auszeichnung erreicht uns also in einer wichtigen Zeit und zugleich in einem Moment, in dem die zukünftige Existenz von District akut gefährdet ist. Aufgrund der diesjährigen drastischen Reduzierung und dem Auslaufen unserer bisherigen Förderung durch unsere Vermieterin, die IGG Malzfabrik, mussten wir bereits in diesem Jahr Stellen reduziert, Räume abgegeben und das Programm herunterfahren. Das Preisgeld ermöglicht es uns 2019 überhaupt arbeitsfähig zu bleiben. Ab dem kommenden Jahr wird sich diese Situation noch weiter verschärfen, sodass wir auf eine erfolgreiche Bewerbung um die neu ausgeschriebene Basisförderung für Projekträume durch die Senatsverwaltung hoffen müssen. Andernfalls steht die Schließung von District unmittelbar bevor.

In dieser Situation haben wir uns an die Senatskulturverwaltung gewandt, um Möglichkeiten für eine kontinuierliche, strukturerhaltende Förderung aus Haushaltsmitteln zu diskutieren. Wir sind hier auf offene Türen und engagierte Gesprächspartner*innen gestoßen. Doch der Kulturhaushalt wird nicht allein auf der Verwaltungsebene sondern vor allem durch die Politik, durch die Fraktionen und Gremien bestimmt. Wir sprechen daher nun die Öffentlichkeit an, die diese Politik lenken soll, und fordern eine öffentliche Diskussion über die Zuteilung der Haushaltsmittel im Bereich zeitgenössischer Kunst und Kultur.

Denn die Basisförderung geht am realen Bedarf von Räumen wie unserem vorbei. Anders gesagt: District würde noch bei einer maximalen möglichen Förderung den eigenen Finanzbedarf nur unzureichend decken können. Zugleich würde District Mittel abschöpfen, mit denen mehrere kleinere Projekträume mit geringeren Bedarfen überleben könnten, weil uns nur dieses von der Freien Szene hart erkämpfte aber viel zu knapp ausgestattete Förderprogramm zur Verfügung steht. Solidarität sieht für uns anders aus! Doch zugleich gibt für uns aktuell keine andere Möglichkeit, als uns um die Basisförderung zu bewerben, um die drohende Schließung zumindest aufzuschieben.

District hat sich in den vergangenen zehn Jahren, ähnlich wie z.B. Savvy Contemporary oder das ZK/U, zu einer der neuen Institutionen im Berliner Kulturbetrieb entwickelt. Anders als die ‚klassischen‘ Institutionen und Kunstvereine arbeiten wir selbstorganisiert, mit flachen Hierarchien und flexiblen Strukturen daran, Diversität und ressourcensensible Arbeitsweisen nicht nur auf der Repräsentationsebene, sondern strukturell zu realisieren. Prekarität und Selbstausbeutung gehören trotzdem zu unserem Arbeitsalltag; unsere Arbeitsrealitäten stehen damit teilweise im Widerspruch zu unseren Prinzipien.

Wir fordern daher, District nicht nur langfristig finanziell abzusichern, sondern unsere Lage, die wir mit vielen Initiativen und Räumen in der Stadt teilen, zum Anlass zu nehmen, darüber zu diskutieren, warum man dies tun sollte! Welche progressiven und transparenten Kriterien könnten in der Zukunft für Institutionen gelten, die durch Landesmittel gefördert werden? Wodurch „verdient“ man sich heute eine dauerhafte Strukturförderung, außer durch erfolgreiche Lobby-Arbeit und Vitamin B?

Fragend schreiten wir voran.

Andrea C. Keppler, Ferdiansyah Thajib, Naomi Henning, Nino Halka, Nuray Demir, Suza Husse