D’EST Prolog

13/10/2016 — 14/10/2016

Ivana Mladenović, Miss Piranda, Romania 2015. Video still (HD), 12’, color, sound, 16:9, courtesy: the artist

The Bureau of Melodramatic Research – “Above the Weather” (11’, 2015, Romania)

Sasha Litvintseva – “Exile Exotic” (14’, 2015, UK/Russia)

Anca Munteanu Rimnic – “Wish Lament” (5’, 2013, Romania)

Goshka Macuga – “Non-Consensual Act” (22’, 2013, UK)

Irina Botea Bucan & Nicu Ilfoveanu – “Film Postale” (33’, 2013, Romania)

O’ Mystical East and West

Screening und Gespräch

Martin Gropius Bau, Kinosaal

Mit Irina Botea Bucan und Nicu Ilfoveanu, Anetta Mona Chişa und Lucia Tkáčová, Ioana Cojocariu, Alexandra Croitoru, Larisa Crunțeanu, Gery Georgieva, Barbora Kleinhamplová, Sasha Litvintseva, Goshka Macuga, Ivana Mladenović, Anca Munteanu Rimnic, The Bureau of Melodramatic Research

13., 14. Oktober 2016

Kuratiert von Xandra Popescu (Berlin/Bukarest) präsentiert O’ Mystical East and West Arbeiten zeitgenössischer Videokunst, die mythische und phantasmatische Bilder des „imaginären Westens“ und „Ostens“ mit besonderem Fokus auf Geschlechtercodes, Klischees und geopolitische Stereotypisierungen hinterfragen.

In ihrem Buch Poor but Sexy. Culture Clashes in Europe East and West (2014) beschwört die polnische Autorin Agata Pyzik die fatale Affäre zwischen dem „Osten” und „Westen” Europas. Und wie in jeder richtigen fatalen Affäre mangelt es nicht an gegenseitigen Projektionen: der „Westen” fabriziert eine mystische und phantasmagorische, fast orientalische Idee des „Ostens”, während der „Osten” einen „imaginären Westen” voller Eleganz und Reichtum kreiert. Nach dem Mauerfall gab es eine Zeit des intensiven Flirts, in der die Länder des ehemaligen „Ostblocks“ nach ihrem verlorenen Platz in Europa suchten und der „Westen” nach neuen Möglichkeiten der Expansion Ausschau hielt. In ihrem Eifer der Legitimierung neoliberaler Werte wandte sich die Intelligenzija des „Ostens” nach rechts, wohingegen die Intelligenzija des „Westens” in den neu entdeckten Ländern die Relikte des authentischen – wenn auch gescheiterten – Kommunismus fetischisierte.

OMystical East and West analysiert diese komplizierte aber weiterhin aktuelle Affäre durch eine Auswahl Videoarbeiten von Künstlerinnen, die in den 1980er und 1990er Jahren aufgewachsen sind. Ivana Mladenović und das Bureau of Melodramatic Research verwenden Strategien der Überhöhung und Maskerade, um den Topos des (Melo-)Dramatischen für ihre feministische und genderkritische Praxis zu mobilisieren. Sie fordern damit den Prozess der Exotisierung „Osteuropas” vor und nach der Transformation heraus und unterstreichen die Beziehung zwischen Turbokapitalismus und „osteuropäischer“ Popkultur. Ioana Cojocariu, Larisa Crunțeanu, Gery Georgieva, Goshka Macuga, Anca Munteanu Rimnic sowie Anetta Mona Chişa und Lucia Tkáčová hinterfragen das vorgefertigte Bild der „Osteuropäerin” und reflektieren dessen Veränderung seit dem Ende des Kalten Krieges, als es vom kommunistischen Ideal der emanzipierten Arbeiterin abrückte. Die Arbeiten der Künstlerinnen Barbora Kleinhamplová und Sasha Litvintseva untersuchen identitäre Fallgruben und die Dynamik zwischen Vorurteilen und konsumistischen Begehren, Betrug und Moral. Schließlich werfen Alexandra Croitoru sowie Irina Botea Bucan und Nicu Ilfoveanu Licht auf das große Narrativ der rumänischen Kunstgeschichte und seine Verstrickung mit dem nationalistischen Diskurs. Über Klischees und Stereotype hinausgehend stellt Popescu Videoarbeiten vor, die sich kritisch gegen naturalisierte Mythen und Legenden und deren propagandistische Inhalte wenden.

Im Oktober 2016 liefert O’ Mystical East and West einen Prolog zu dem Online-Rechercheprojekt D’EST. Eine multi-kuratorische Online-Plattform für Videokunst aus dem ehemaligen „Osten“ und „Westen“, initiiert von Ulrike Gerhardt und produziert von Xandra Popescu im Namen von Atelier 35, Rumänien. Ab 2018 wird eine kuratierte Online-Plattform entstehen, die die post-sozialistische Transformation aus Sicht des ehemaligen „Ostens“ und „Westens“ reflektiert. Nach dem Vorbild von zeitgenössischen Online-Videodatenbanken ist D’EST Prolog der erste Schritt zur Erstellung einer Online-Plattform, auf der europäische Kuratorinnen und Kulturproduzentinnen Positionen zeitgenössischer Videokunst einführen, die die Transformationsphase der 1990er Jahre thematisieren. Sie wird als Recherchetool und Informationspool für Kunstinteressierte, institutionelle und freischaffende Kulturproduzent*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Kritiker*innen zugänglich sein. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Kartografierung weiblicher sowie kollektiver Positionen und auf ergänzenden Screeningveranstaltungen mit Gastreferent*innen innerhalb und außerhalb von Europa.

Die Frage, was die Transformation für die Erwachsenengeneration bedeutet – insbesondere für Künstlerinnen und Künstler aus dem „Osten“ und „Westen“, die in den 1980er und 1990er Jahren sozialisiert worden sind – ist bislang unzulänglich beantwortet worden. Der Titel D’EST (eng.: From the East) ist dem gleichnamigen Werk der Filmemacherin Chantal Akerman aus dem Jahre 1993 entliehen. Der Film gilt als sensibler, filmischer Travelogue der Transformation, in der die Tochter polnischer Holocaust-Überlebender emblematische Bilder aus Russland, Polen, Ungarn, Tschechien, der ehemaligen DDR und Belgien kurz nach Ende des Kalten Krieges einfängt.

Weitere Informationen auf der Projektwebseite.

 

Donnerstag, 13. Oktober 2016

SESSION I

Eröffnung durch Ulrike Gerhardt, Suza Husse, Xandra Popescu

The Bureau of Melodramatic Research – “Above the Weather” (11’, 2015, Rumänien)
Gery Georgieva – “Rodopska Beyonce (Autoethnography II)” (4’, 2013, Bulgarien/UK)
Anca Munteanu Rimnic – “Wish Lament” (5’, 2013, Rumänien)
Ivana Mladenović – “Miss Piranda” (12’, 2015, Rumänien)

Gespräche mit Agata Pyzik, Autorin des Buches “Poor But Sexy: Culture Clashes in Europe East and West,” und Xandra Popescu

SESSION II

Ioana Cojocariu – “Body Experience Knowledge” (19’, 2013, Schweden)
Barbora Kleinhamplová – “Reliable Relationships” (21’, 2014, Tschechische Republik)
Sasha Litvintseva – “Exile Exotic” (14’, 2015, UK/Russland)

 

Freitag, 14. Oktober 2016

SESSION I

Irina Botea Bucan & Nicu Ilfoveanu – “Film Postale” (33’, 2013, Rumänien)
Alexandra Croitoru – “The Cabbage Process” (36’, 2012, Rumänien)
Künstlerinnengespräche mit Alexandra Croitoru, Autorin des Buches “Brancusi. An Afterlife,” und Xandra Popescu

SESSION II

Goshka Macuga – “Non-Consensual Act” (22’, 2013, UK)
Anetta Mona Chisa & Lucia Tkáčová – “Porn Video” (3’, 2004, Slovakei)
Larisa Crunțeanu – “Forbidden Love” (3’, 2016, Rumänien)
Künstlerinnengespräche mit Larisa Crunțeanu und Xandra Popescu

DEST Prolog. OMystical East and West wird vom Centenart Program of the Romanian Cultural Institute und dem National Cultural Fund Administration in Rumänien unterstützt. Das Projekt wird von District Berlin veranstaltet.