Act VI: Public Speaking

21/04/2016 — 27/05/2016

Public Speaking, Ausstellungsansicht, District 2016, Photo: Emma Haugh

Public Speaking, Ausstellungsansicht, District 2016, Photo: Emma Haugh

Public Speaking, Ausstellungsansicht, District 2016, Foto: Emma Haugh

Public Speaking, Ausstellungsansicht, District 2016, Photo: Emma Haugh

Public Speaking, Ausstellungsansicht, District 2016, Foto: Emma Haugh

Public Speaking, Ausstellungsansicht, District 2016, Photo: Emma Haugh

Charlatan Seduction - A Public Speaking Workshop created by Xandra Popescu

Richard Pettifer, Artist Development, 2015

Raze de Soare, 2015

Ein Projekt von Xandra Popescu und Larisa Crunțeanu

Die Priesterin/ Der Priester spricht von einer Kanzel
Die Präsidentin/ Der Präsident der Nation spricht von einem Pult
Die Professorin/ Der Professor spricht von einem Podium
Die Spezialistin/ Der Spezialist spricht von einem Podest
Die Mitglieder der Jury beraten sich in einem Plenum

Solcherart Requisiten stehen für eine makellose Choreographie einer Geltung, für zentrale Dispositive zur Instituierung einer Autorität. Als Wahrzeichen einer innerräumlich gestalteten Szenografie der Macht lassen sich diese Objekte definieren. Im alltäglichen Leben tragen sie zur Legitimation autoritärer Regimes bei. Sobald Autorität legitimiert werden muss, braucht es ein komplexes Netz von Apparaturen, innerhalb dessen diese Legitimation täglich umgesetzt wird. Autorität als soziale Beziehung muss kontinuierlich erneuert werden. Im Alltag wird diese Legitimation autoritärer Regimes wie etwa religiöser Institutionen, Regierungen und Polizeistrukturen als Naturalisierung übersetzt. Je mehr dieser Prozess als natürlich angesehen wird, desto effektiver wird die Autorität.

Im Unterschied zu diesen autoritären Choreografien ist die künstlerische Praxis kein privilegierter Ort für die Aktualisierung der Macht. Sogar, wenn Arbeiten mit einem politischen Charakter ausgestellt werden, wird ihr Veränderungspotential dadurch neutralisiert, dass sie sich in Museen und Galerien befinden. Denn gibt es schließlich einen stärkeren Machtbeweis als die Toleranz von Dissens? Jedoch wird Politik nicht nur an solchen Orten der Autorität gemacht, nicht nur auf der Straße, sondern auch im Alltagsleben, am Familientisch, im öffentlichen Nahverkehr, an Freizeitorten. Also fragen wir uns: Wie können wir uns diese Machtinstrumente aneignen, um für unseren Alltag von Nutzen zu sein?

PUBLIC SPEAKING arbeitet mit den akkumulierten Spannungen zwischen künstlerischen Autonomie-Ideen und ihrem sozialen Veränderungspotential. Auf unsere Erfahrungen als Präsidentschaftskandidat*innen Rumäniens zurückgreifend, als gymnasiale Rhetorikmeister*innen, Talentshow-Stars, Immobilienspekulant*innen, Punk Cholos und Pop-Philosoph*innen, schreiten wir fort, eine neues Set an Werkzeugen für die Appropriation und Subversion politischer Ausdrucksformen zu entwickeln.

Bestandteile

Public Speaking
Ausstellung mit Larisa Crunțeanu & Sonja Hornung, The Presidential Candidacy, Xandra Popescu & Adrian Knuppertz und Veda Popovici
22. April – 27. Mai, Eröffnung 21 April, 19 h 

Die Künstler*innen stellen widersprüchliche künstlerische Strategien vom aktivistischen hin zum expliziten Engagement vor (Revolutionary Gear. Art History Retraced Through the Black Square von Veda Popovici), sowie vom Subversiven (You are Safe With Me von Xandra Popescu und Adrian Knuppertz), zum Poetischen (Femina Subtetrix von Larisa Crunțeanu und Sonja Hornung) bis hin zum Meta-Sprachlichen (The Presidential Candidate 2083 von Cosima Opârtan und Ion Dumitrescu).

Public Speaking-Workshop
konzipiert von Xandra Popescu mit den Expert*innen Larisa Crunțeanu, Ion Dumitrescu, Cosima Opârtan und Richard Pettifer
14. & 15. Mai, 11 – 18 h
Registrierungen werden bis 11. Mai unter post@district-berlin.com angenommen

Der Workshop versteht sich als Struktur, in der vier Künstler*innen (die Performer*innen Larisa Crunțeanu, Ion Dumitrescu, Cosima Opârtan und Richard Pettifer) ihr eigenes Training und Motivationsstil erarbeiten, um die Teilnehmer*innen dabei zu unterstützen, charismatische öffentliche Persönlichkeiten zu werden. Der Workshop bedient sich diverser Elemente aus TV-Talentshows, in denen die Wettbewerber*innen unter Aufsicht der Expert*innen, die ebenfalls die Jury bilden, eine radikale Transformation durchlaufen. 

Artist Development
Lecture-Performance von Richard Pettifer
19. Mai, 19 h

Ein osteuropäischer Philosoph, Kommunist und inbrünstiger marxistischer Intellektueller setzt sich für künstlerischen Aktivismus und politische Kunst ein. Im Kontext der neoliberalen Realität untersucht er verschiedene Selbsthilfe-Methoden für Künstler*innen, die vom Theater der Unterdrückten (Augusto Boal), über die relationale Ästhetik (Nicolas Bourriaud) bis hin zur partizipatorischen Kunst (Claire Bishop) reichen. Unter Verifizierung unserer Identität werden wir eigennützig manipuliert. Umfängt einige Witze über Ex-Jugoslawien.

Finissage  
27. Mai
18 h Gespräch mit Larisa Crunțeanu, Daniela Duca, Suza Husse und Xandra Popescu
21 h Proto-Manele Konzertperformance von Raze de Soare
Im Rahmen des Performing Arts Festival Berlin, Tickets: 5 Euro

Während der späten 80er und frühen 90er entstand eine Pseudoindustrie von Hochzeiten in Rumänien. Hunderte von Bands aus dem gesamten Land entwickelten einen auf Familienfesten beliebten Sound, der später zu „proto-manele“ wurde: einem Mix von elektronischem Oriental-Pop mit lokaler Note. Raze de Soares Album Albatros ist ein Tribut an die gleichnamigen „proto-manele“ Bands, die die minimalistische Restaurantmusik revolutioniert haben.

PUBLIC SPEAKING wird realisiert als Akt VI der District Reihe Curatorial Practices. Fields and Techniques mit Unterstützung des Rumänischen Kulturinstituts Berlin und des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.).

Larisa Crunțeanu studierte Fotografie und Film und ist derzeit Doktorandin der National Arts University in Bukarest. Sie arbeitet zumeist kollaborativ an der Schnittstelle zu Video und Performance, zwischen Forschung und Spekulation und kreiert Kontexte zur Entstehung und Organisation neuer Praktiken. Seit 2012 betreibt sie gemeinsam mit Xandra Popescu den Bukarester Projektraum Atelier 35.

Xandra Popescu studierte Szenisches Schreiben an der National University of Theatre  and Film in Bukarest und besitzt einen Hintergrund in Politikwissenschaften. Sie arbeitet als Autorin, Künstlerin und Kuratorin. Seit 2012 leitet sie Atelier 35, einen von Künstler*innen betriebenen Raum, der sich kollaborativen und experimentellen Praxen widmet. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Bukarest.

Curatorial Practices: Fields and Techniques ist eine Projekt-Reihe von District Berlin zu aktuellen Tendenzen, Fragestellungen und Methoden des Kuratorischen. Durch die Verbindung von kuratorischen Gesten in Form sogenannter Acts und spezifischen Workshopformaten schafft die Reihe Ausgangspunkte für die Reflektion und Neubetrachtung kuratorischer Praktiken, Versuche und Haltungen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen. Ausgehend von der Frage nach zeitgemäßen Formen kuratorischer Praxis geht es darum, gegenwärtige Methoden künstlerischer und kultureller Arbeit sichtbar zu machen und zu fördern, die alternativ zu etablierten Politiken und Verfahren erweiterte, spekulative, experimentelle, situierte, engagierte und kritische Sichtweisen verfolgen. Ziel der 2014 von den Kuratorinnen Susanne Husse und Michaela Richter gegründeten Reihe Curatorial Practices ist darüber hinaus die solidarische Verknüpfung von Kulturproduzent*innen unterschiedlicher Herkunft und über Disziplinen hinweg.

[1] An dieser Stelle wird, obgleich es bisher keine Priesterin im Amt gibt, die feminine Bezeichnung dennoch mitgenannt.

 

 

 

Partners